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Bauern ziehen Erntebilanz 2015 – Erträge passen, Stimmung nicht

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Erträge passen, Stimmung nicht und reagieren auf gesellschaftliche Kritik
Ein spannendes Erntejahr, in dem die Bauern im Kreis Borken unter dem Strich doch noch gut durchschnittliche Erträge verzeichnen können. Mit diesem Satz fasst Kreislandwirt Heinrich Emming (Südlohn) die Ernte 2015 zusammen.

Während Häcksler, Drescher und Roder in diesen Tagen auf Mais-, Kartoffel- und Zuckerrübenfelder im Kreis noch auf Hochtouren laufen, ziehen Vertreter der Landwirtschaft im Rahmen des gestrigen Ernte-Pressegespräches in Vardingholt schon einmal Bilanz. Während die sich füllenden Futtersilos noch einen Lichtblick darstellen, sieht die Gesamtstimmung auf den meisten Höfen eher düster aus.

Ernte Kreis Borken 2015
Während das Ackerbauernherz derzeit angesichts der vielversprechenden Maisernte höher schlägt, weint die Tierhalterseele der Landwirte im Kreis Borken. Ihre tierischen Erzeugnisse werden die Bauern derzeit nur zu desolaten Preisen los (v.l.): Matthias Schüling, Josef Tekotte, Franz-Josef Schüling, Markus Weiß und Heinrich Emming. Foto: Stephan Wolfert, WLV

Der stellvertretende Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, Markus Weiß (Gemenwirthe), gibt in der Presserunde auf dem Milchviehbetrieb Schüling Einblicke in die aktuelle Situation auf den Betrieben, die vor allem von den desolaten Erzeugerpreisen für tierische Produkte dominiert wird: „Mit Ausnahme der Bullenmäster sieht es aktuell nirgendwo gut aus. Unsere Tierhalter zahlen samt und sonders drauf.“ Wirtschaftlich unter Druck stehen besonders die rund 700 Milchbauern und 500 Sauenhalter im Kreis: „Die Landwirtschaft zahlt zuvorderst die Zeche für die politischen Verwerfungen im Zuge der Ukraine-Krise mit der handelspolitischen Folge, dass das wichtige Exportventil Russland geschlossen ist.“ Weiß erwartet von der Politik, dass politikbedingte Marktkrisen durch politische Maßnahmen bekämpft werden: „Wir erwarten unter anderem deutlich mehr Anstrengungen, um neue Märkte für unsere qualitativ hochwertigen deutschen Agrarprodukte zu erschließen.“ Denn eines wünscht sich keiner der Beteiligten am Tisch zurück: Eine staatliche Mengenregulierung. Kreislandwirt Heinrich Emming (Südlohn) dazu: „Die Milchquote ist Geschichte. Als es sie gab, hat sie nicht für stabile Preise gesorgt. Und ihr Auslaufen in diesem Jahr ist auch nicht für den Sinkflug der Preise verantwortlich, sondern vielmehr das Wegbrechen wichtiger Drittmärkte wie Russland oder das aktuell wirtschaftlich schwächelnde China.“

Ernte Kreis Borken 2015
Mit Auszahlungspreisen von zum Teil gerade mal 25 Cent müssen Milchbauern im Kreis Borken wie Matthias und Franz-Josef Schüling oder Heinrich Emming derzeit klar kommen. Das reicht hinten und vorne nicht, stellen Vertreter der Landwirtschaft im Kreis Borken beim Ernte-Pressegespräch heraus und fordern einen nationalen Lebensmittelgipfel. Foto: Stephan Wolfert, WLV

An regelmäßig wiederkehrende Preisschwankungen hätten sich insbesondere die Schweinehalter in den letzten 30 Jahren gewöhnt, so Emming: „Was uns viel mehr zu schaffen macht, sind die zunehmend schärfer werdenden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.“ Gefühlt jede Woche werde der Fernsehzuschauer mit neuen Horrorbildern aus der Landwirtschaft konfrontiert, etwa von vermeintlich überforderten Turbokühen, die immer häufiger schon nach zwei Melkzeiträumen (sogenannte Laktationen) an den Schlachthof geliefert würden, weil sie nicht mehr genug Milch geben. Ein Eindruck, dem Gastgeber Franz-Josef Schüling vehement widerspricht: „Wir haben überhaupt kein Interesse, unsere Kühe möglichst schnell an den Haken zu liefern. Wir streben ganz im Gegenteil längere Nutzungsdauern für unsere Tiere an, weil sie dann gesünder durch die Laktationen kommen und sich auch die hohen Aufzuchtkosten über einen längeren Zeitraum besser rechnen.“
Dass die Landwirte dennoch bereit seien, auf gesellschaftliche Kritik zu reagieren, stellt Weiß heraus: „Das zeigt unter anderem die hohe Teilnahmebereitschaft unserer Landwirte an der Initiative Tierwohl. Allein 200 aus dem Kreis Borken haben hierfür jeweils viele tausend Euro investiert.

Leider schauen immer noch knapp die Hälfte davon in die Röhre, weil die Geldmittel der Initiative erschöpft sind.“ Der Bauernverband setze sich weiterhin vehement dafür ein, dass alle Schweine- und Geflügelhalter, die im Zuge der Initiative Tierwohl übergesetzliche Normen erfüllen, dies auch honoriert bekommen: „Erste Partner der Lebensmittelwirtschaft haben hierzu bereits ihre Bereitschaft signalisiert, es braucht aber noch mehr. Bis Ende des Jahres wollen wir wissen, wo die Reise hingeht. Hierfür wünschen wir uns einen Lebensmittelgipfel auf nationaler Ebene.“ Auch bei anderen Themen sei die Landwirtschaft bereit, offensiv mit Problemen umzugehen und auch zu liefern, sei es bei der Suche nach praxistauglichen Alternativen zum Enthornen der Rinder, zum Kupieren der Schwänze oder zur Kastration bei den Ferkeln: „Aus dem Berufsstand heraus mitangestoßen laufen hierzu Forschungsprojekte. Wir brauchen aber Zeit, diese Dinge auch umzusetzen. Was wir gar nicht gebrauchen sind übereilte Gesetzesverschärfungen, die unsere Betriebe in die Knie zwingen und den Tieren nicht weiterhelfen.“
Ungeachtet all dieser schwierigen Rahmenbedingungen bleibe es eine fortwährende Aufgabe, mit der Gesellschaft den Dialog zu suchen, so Weiß: „Unsere Landwirte haben das verstanden.“ Beispiel: Der Betrieb Schüling hat im Zuge seiner letzten Baumaßnahme einen erhöhten Tribünenraum mit großen Fenstern in seinen Kuhstall eingebaut. Von hier aus können Franz-Josef und sein Sohn und Betriebsnachfolger Matthias nicht nur ihre Herde besser beobachten. Hier versammeln sich auch Schulklassen, wenn sie bei Hofbesuchen mehr über die Herkunft ihrer Milch erfahren. Franz-Josef Schüling beschreibt seine Motivation für die bis zu 20 Hofbesuche, die der Betrieb pro Jahr organisiert: „Wir möchten lieber miteinander, statt übereinander reden.“
Zum Thema „Überblick zur Erntebilanz im Kreis Borken“
Gerste: Häufig überdurchschnittliche Erträge, auch auf leichteren Standorten, und gute Qualitäten.
Triticale: Auf besseren Böden (mit höherem Wasserspeichervermögen) häufig überdurchschnittliche Erträge. Auf sandigen Standorten hingegen durchschnittliche bis eher unterdurchschnittliche Erträge. Insgesamt gute Kornqualitäten, auf Sand nur kleine Körner.
Weizen: Insgesamt durchschnittliche Erträge, keine Spitzenerträge. Auf sandigen Böden tendenziell eher enttäuschend, aufgrund der Trockenheit im Mai/ Juni. Die Spannweite der Erträge war 2015 außerordentlich groß. Kornqualität insgesamt gut.
 Getreidestroh: Zu Beginn der Getreideernte insgesamt gute bis sehr gute Qualitäten, bedingt durch trockene Bedingungen und geringen Pilz-Befall. Gegen Ende der Ernte im August wurde die Strohbergung durch wiederholte Niederschläge immer wieder erschwert. Dadurch hat die Strohqualität gelitten.
Raps: Leichte Ertragseinbußen durch nasse Saatbedingungen im Herbst 2014 und durch die große Hitze Ende Juni/ Anfang Juli.
 Gras: Im Frühjahr zunächst gutes Wachstum. Erster Schnitt brachte gute Erträge. Danach hat der Aufwuchs unter der Trockenheit und Hitze deutlich gelitten. Erst ab Ende Juli hat es wieder einen deutlichen Wachstumsschub gegeben. Insgesamt sind die Graserträge höchstens durchschnittlich.
Mais: Nach anfänglich verzögertem Wachstumsbeginn im kühlen Frühjahr konnte sich der Mais im Juni/ Juli aufgrund der passenden Temperaturen insgesamt gut erholen. Nur auf sehr sandigen Böden litt er unter der zeitweisen Trockenheit und blieb dadurch etwas kürzer. Durch die im Juni einsetzenden Niederschläge haben sich die Kolben insgesamt gut entwickeln können. Das lässt aktuell eine mittlere bis gute Maisernte hoffen. Die Silomaisernte ist in vollem Gange. Erste Drescher für Corn-Cob-Mix- und Körnermaisernte rollen seit dieser Woche. Autofahrer sollten sich auf verstärkten Verkehr und zeitweise (trotz aller Reinigungsbemühungen der Landwirte) verschmutzte Straßen einstellen.
 Kartoffeln: Erträge liegen elf Prozent unter dem Rekordergebnis des vergangenen Jahres und vier Prozent unter dem Schnitt der letzten Jahre. Die Qualitäten sind insgesamt sehr zufriedenstellend.
Zuckerrübe: Die Erträge liegen im Durchschnitt des 5-Jahresmittels. Die Zuckergehalte liegen mit 15,9 % ca. 0,6 Prozentpunkte unter dem Schnitt.

Dieser Artikel Bauern ziehen Erntebilanz 2015 – Erträge passen, Stimmung nicht wurde erstmalig veröffentlicht auf Heimatreport.


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