Landrat Dr. Kai Zwicker lud zur Bürgermeisterkonferenz ins Borkener Kreishaus – Im Fokus: Flüchtlingssituation vor Ort – gemeinsamer Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
Kreis Borken. Auf Einladung von Landrat Dr. Kai Zwicker kamen jetzt erstmals nach der jüngsten Bürgermeisterwahl die Spitzen der 17 kreisangehörigen Städte und Gemeinden mit dem Vorstand der Kreisverwaltung zu einer Konferenz im Borkener Kreishaus zusammen. Auf der Tagesordnung stand insbesondere das Thema „Flüchtlingssituation“. Dabei ging es vor allem um die Unterbringung in den Kommunen und um die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Deutlich wurde, dass Kreis, Ortsbehörden und beteiligte Institutionen und Hilfsorganisationen inzwischen an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit gelangen. Einstimmig formulierten daher der Landrat und die Bürgermeister eine Resolution, die sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft richtet. Hier der Wortlaut:
„Wir, der Landrat des Kreises Borken und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aller kreisangehörigen Kommunen, schließen uns den vielfach aus der kommunalen Familie geäußerten Bedenken über den massiven, immer weiter steigenden und offenbar nicht mehr kontrollierten Zustrom an Flüchtlingen nach Deutschland ausdrücklich an. Auch bei uns im Westmünsterland kommen wir zunehmend an die Grenzen der Leistungsfähigkeit.
Neun Notunterkünfte mit 1500 Plätzen
Der Kreis Borken und seine Kommunen sind selbstverständlich gewillt, nicht nur den materiellen Bedarf an Unterkunft, Versorgung und Betreuung der Menschen, die Schutz benötigen, zu erfüllen, sondern darüber hinaus auch die hier in der Bürgerschaft bestehende, außerordentliche Willkommenskultur für diese Menschen zu unterstützen. Seit längerer Zeit schon befindet sich im Kreisgebiet in der Gemeinde Schöppingen eine reguläre Zentrale Unterbringungseinheit des Landes, die Platz für ca. 500 Flüchtlinge bietet.
In Reaktion auf den aktuellen Flüchtlingszustrom haben wir darüber hinaus allein bei uns im Kreis Borken innerhalb kürzester Zeit zusätzlich neun Notunterkünfte mit fast 1500 weiteren Unterbringungsplätzen für eine Erstaufnahme von Flüchtlingen eingerichtet. Zwei weitere Notunterkünfte zur Erstaufnahme mit weiteren 450 Plätzen werden in Kürze in Betrieb gestellt. Ein Ende der weiter steigenden Inanspruchnahme der Kommunen ist nicht absehbar.
An der Leistungsgrenze angekommen
Unabhängig von der immer schwieriger werdenden Suche nach geeigneten Standorten für Notunterkünfte sind inzwischen die darüber hinaus benötigten personellen und sachlichen Kapazitäten für deren Herrichtung und Ausstattung sowie zur notwendigen Betreuung der Flüchtlinge allerdings zunehmend erschöpft. Zudem sind auch die Hilfsorganisationen, ohne deren herausragendes Engagement das bisher Erreichte bei uns nicht leistbar gewesen wäre, personell und organisatorisch an ihre Leistungsgrenze gestoßen.
Hinzu kommt, dass diese weiter über die Maßen stetig steigende Inanspruchnahme durch das Land bei der Einrichtung und Unterhaltung von Erstaufnahmeeinrichtungen nicht die einzige Belastung unserer Kommunen in Folge des massiven Flüchtlingszustroms ist. Auch die eigentliche Aufgabe der Kommunen – die dauerhafte Unterbringung und Integration der Flüchtlinge nach Zuweisung vor Ort – wird in Folge natürlich immer größer. Der absehbar nicht endende Zustrom von neu unterzubringenden und zu integrierenden Personen stellt gerade für die kleineren Städte und Gemeinden im kreisangehörigen Raum eine auf Sicht kaum noch zu bewältigende Herausforderung dar.
Unausgewogenes Verhältnis zwischen Einwohner und Flüchtling
Es fehlt beispielsweise schon schlicht an geeignetem Wohnraum für eine dezentrale, menschenwürdige Unterbringung der zugewiesenen Flüchtlinge. Auch hier auf die – in der Erstunterbringung noch denkbaren – Massenunterkünfte zu setzen, würde jedwede vernünftige Integrationsbemühung vor Ort konterkarieren. Gerade die kleinen Kommunen im ländlichen Bereich leiden darunter, dass sie unverhältnismäßig viele Flüchtlinge kommunal zugewiesen bekommen, da sie nicht in der Lage sind, Flüchtlinge in Notunterkünften für die Erstunterbringung unterzubringen, die in der Praxis dann auf die Anzahl der Zuweisungen angerechnet werden.
Hier droht ein unausgewogenes Verhältnis zwischen der bisherigen Einwohnerschaft und Flüchtlingen.
Wir bitten Sie nachdrücklich, diese Realitäten und großen Sorgen vor Ort, die offensichtlich nicht nur hier, sondern darüber hinaus wohl nahezu überall in Deutschland auf kommunaler Ebene bestehen, nicht zugunsten schöner politischer Botschaften hintenan zu stellen. Bitte berücksichtigen Sie, dass die Kapazitäten und Möglichkeiten in den Kommunen für eine menschenwürdige Unterbringung und sachgerechte Betreuung der stetig anwachsenden Anzahl an Flüchtlingen tatsächlich begrenzt sind. Politisches Handeln muss schnell vor Ort spürbar werden.“
Dieser Artikel Flüchtlingssituation vor Ort – Westmünsterland an die Grenzen der Leistungsfähigkeit wurde erstmalig veröffentlicht auf Heimatreport.