Landwirte ziehen Erntebilanz und laden Bevölkerung ein
(pd). Rückblickend wenig gute Nachrichten beinhaltet die Bilanz der Landwirtschaft im Kreis Borken. Zunächst hatte ihnen der Wettergott die Ernte verregnet und in den letzten Wochen auch noch vertrocknet. Als sei das nicht genug, wurde das Ganze noch flankiert durch schlechte Preise für die agrarischen Erzeugnisse. Kreislandwirt Heinrich Emming (Südlohn) bringt es auf den Punkt: „Ackerbau im Kreis Borken hat 2016 keinen Spaß gemacht.“
Dass Bauern unter freiem Himmel wirtschaften und die Früchte ihrer Arbeit auch von der Witterung abhängen, wurde selten offenbarer als 2016. Die normalerweise hierzulande für das ganze Jahr übliche Niederschlags-Gesamtmenge von 740 mm wurde bereits Mitte Juli erreicht. Dem folgte dann das andere Extrem mit wochenlanger Trockenheit, welche der im Jahresernteverlauf letzten großen Ackerkultur, dem Mais, zusätzlich zugesetzt habe, wie der Kreisverbandsvorsitzende Ludger Schulze Beiering (Weseke) beim gestrigen Erntebilanz-Pressegespräch auf dem Hof Bröker in Heek festhalten muss.

Den zunächst einmal ernüchternden Erntezahlen konnte Emming eine andere Wahrnehmung entgegensetzen: „Tatsächlich sind wir noch glimpflich davongekommen. Vor 100 Jahren hätten derartige Wetterextreme eine riesige Hungersnot nach sich gezogen.“ Insbesondere der – bedingt durch Staunässe während der Aufwuchsphase – hohe Krankheits- und Schädlingsdruck konnte durch wohldosierte und zur passenden Zeit vorgenommene Pflanzenschutzmaßnahmen in den Griff bekommen werden: „Der moderne Pflanzenschutz steht immer wieder in der Kritik. Wir Landwirte setzen ihn gesetzlich reglementiert und behördlich kontrolliert mit der Devise ein: ‚So viel wie nötig und so wenig wie möglich“, so Schulze Beiering. Zur Debatte über die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung merkt er an: „Wenn es fachlich korrekt angewendet wird, bescheinigen verschiedene unabhängige Institute dem Mittel, gesundheitlich unbedenklich zu sein. Wenn dem so ist, würde ich mir für unsere hiesige Landwirtschaft wünschen, dass Glyphosat die Zulassung behält – zumindest für die Stoppelbehandlung nach der Ernte und wie in diesem Jahr zur Akut-Behandlung bei erhöhtem Krankheitsdruck.“
Unter dem aktuellen Eindruck der miserablen Erzeugerpreise für Milchvieh- und Schweinehalter habe sich der Strukturwandel im Kreis im vergangenen Jahr beschleunigt, muss Emming konstatieren. Noch stärker als bei den Milchviehbetrieben müsse man bei den Sauenhaltern angesichts einer Aufgabequote von bundesweit 10 Prozent binnen Jahresfrist sogar von einem Strukturbruch sprechen: „Gott sei Dank weist die Preiskurve aktuell wieder nach oben.“ Neben dem wirtschaftlichen Druck spielen zunehmend andere Faktoren bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle, so Emming: „Immer häufiger scheiden auch Betriebe aus, die eigentlich gesund und zukunftsfähig aufgestellt sind. Wenn wir dort nachfassen, spüren wir auch, dass eine gewisse Resignation angesichts immer neuer Auflagen und der ständigen öffentlichen Kritik um sich greift.“
Schweinehalter Ludger Schulze Beiering nennt vor diesem und auch dem Hintergrund der jüngsten Einbrüche in Ställen führender Bauernfunktionäre „größtmögliche Transparenz“ als
Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V.
Landwirtschaftlicher Kreisverband Borken
Schlüssel für mehr Akzeptanz: „Ihr braucht nicht bei uns einzubrechen. Kommt vorbei und guckt!“ Mit demselben Grundgedanken ist seit einigen Monaten eine Gruppe von Landwirten im Kreis dabei, die Fenster an ihren Ställen zu Einsichten-Fenstern umzurüsten – verbunden mit der Einladung, jederzeit vorbeizukommen und sich selber einen Eindruck zu verschaffen. Die Initiative soll in Kürze öffentlich vorgestellt werden.
Zum Thema: Erntebilanz
Gerste: Enttäuschende Erträge und Qualitäten, insbesondere im Bereich Mussum/ Isselburg und Stadtlohn/ Gemen mit Totalausfällen. Aufgrund schlechter Qualitäten mussten häufig alternative Verwertungsmöglichkeiten (Biogas) genutzt werden.
Triticale und Roggen: Etwas moderater, aber ebenfalls enttäuschend. Hohe Auswuchsquote und Krankheitsdruck.
Weizen: Durch optimales Kulturenmanagement und effizienten Pflanzenschutz nur leicht unterdurchschnittliche Erträge bei akzeptablen Qualitäten. Die Kontamination mit Fusarien (pflanzenschädigende Schimmelpilze) konnte bis auf Einzelpartien eingedämmt werden.
Getreidestroh: Bis Anfang August durchweg schlechte Qualitäten, in den letzten 14 Tagen der Strohbergung bei sonniger werdender Witterung besser.
Raps: Sehr enttäuschende Erträge. Im Kreis spielt Raps mit 170 Hektar Anbaufläche allerdings nur eine untergeordnete Rolle, bedingt durch für Raps zu sandige Böden und den in der Region sehr starken Kartoffel- und Spinatanbau.
Gras: Insgesamt durchschnittliche Erträge. Erster Schnitt war noch relativ gut, wenn zum passenden Zeitpunkt geerntet werden konnte. Die Zeitfenster für den zweiten und dritten Schnitt waren regenbedingt noch schmaler. Der vierte Schnitt fiel durch die Trockenheit eher unterdurchschnittlich aus.
Mais: Enttäuschende Erträge (etwa 20 bis 30 Prozent unter dem langfristigen Mittel). Durchschnittliche Qualitäten. Kleine Kolben. Wiederholte Starkregenfälle hatten eine geringere Wurzelausbildung zur Folge. Daher ging der Mais in der dann folgenden Trockenphase schneller in die Abreife, was nochmal Ertrag gekostet hat. Die Maisernte konnte an den meisten Stellen in den letzten Tagen bereits abgeschlossen werden (damit deutlich früher als in normalen Jahren).
Kartoffeln: Unterdurchschnittliche Erträge mit hohen regionalen Unterschieden. Ergebnisse der Frühkartoffeln waren noch gut, die Anschluss-Sorten aber unterdurchschnittlich bis enttäuschend, vor allem bei den immer häufiger angebauten Industriekartoffelsorten (für verarbeitete Ware wie Pommes und Chips). Das Kulturenmanagement war schwierig. Einige Flächen mit Totalausfall zu verzeichnen. Daher wurde trotz Ausweitung der Anbaufläche im Kreis Borken von 1750 auf 1950 Hektar keine Steigerung der Gesamtmenge erreicht.
Zuckerrübe: Enttäuschende Erträge, im Schnitt etwa 25 Prozent weniger als im Mittel. Erhöhter Krankheitsdruck durch Starkregen. Die Rübenkampagne läuft noch bis Anfang Anfang des Jahres.
Insgesamt ist festzustellen: Wetterextreme haben 2016 zu enorm großen Ertrags- und Qualitätsunterschieden über alle Regionen, Bodenarten und Kulturen hinweg geführt.
Angaben der Landwirtschaftskammer NRW, Kreisstelle Borken
Dieser Artikel Wetterextreme kosten Geld und Nerven wurde erstmalig veröffentlicht auf Heimatreport.